Lyrics
Der Junge auf dem fremden Bahnhof, wie ein Hindernis im Treck
Der Hastenden, der Reisenden, hatte leichtes Marschgepäck:
Ich stand wie Vasco da Gama vor dem Tor zur neuen Welt
Die Fahrkarte am Band um meinen Hals, ich war ein Held!
Mit einem unscharfen Foto sucht' ich nach ihnen verstohl’n
Und mein Hasenherz, das flüsterte: Keiner kommt, dich abzuhol’n
Verlor’n, verscholl’n, gestrandet, Bahnsteig 10 am Gare de l’Est
Ist ein sehr einsamer Platz, wenn dich dein Heldenmut verlässt…
Da rief jemand meinen Namen, ich bin auf sie zugerannt
Sie schlossen mich in ihre Arme, die fremden Menschen auf dem Bild in meiner
Hand
Douce France!
Alles ist so fremd, so anders, so verwirrend und so schnell
So viel neue Bilder, alles ist so aufregend, so grell
Die Worte, die ich nachspreche und beginne zu versteh’n
Menschen, die mir hier begegnen und die Dinge, die gescheh’n:
Wie sie ihre Autos parken, ohne Skrupel, ohne Zwang
Küssen sich auf offner Straße und sie essen stundenlang
Menschen, die auf U-Bahnschächten schlafen, hatt' ich nie geseh’n
So viel Lebensmüde, die bei rot über die Kreuzung gehen
Und Cafés stell’n Tisch und Stühle auf die Bürgersteige raus
Ich bin so fern von zuhause und ich fühl mich doch schon zuhaus!
Douce France!
100 Francs für eine Cola, 3 mal 50 für Kultur
Aus der Juke-Box für den großen Georges, Trénet und Aznavour
Wie haben sie mich entzündet, überwältigt und bewegt
Hab' mein ganzes Taschengeld in ihren Liedern angelegt!
Und die spielt' ich nach auf den Boulevards als Straßenmusikant
Abends vor den Filmpalästen, wo man damals Schlange stand
Ich habe Boris Vian gehört, Grapelli und Béchet —
Sein Sopran drang auf die Straße vorm «Caveau de la Huchette»
Andächtig standen wir draußen, zwei Kinder Arm in Arm
Der Lebensdurst, die Zärtlichkeit und der Jazz hielten uns warm
Douce France!
Hab' die Frauen in der Rue du Faubourg St. Denis geseh’n
Die ihre Schönheit verkaufen und ich konnt' es nicht versteh’n
Dass sie sich für jeden Drecksack hinlegen, für jeden Wicht
Wenn er nur die Kohle hinlegt — ich versteh' es heut' noch nicht!
Ich sah Pflastersteine fliegen, sah die Fratze der Gewalt
Sah die Klugheit unterliegen, sah die Hand zur Faust geballt
Sah sie offen ausgestreckt und zur Versöhnung schon bereit
Lebte Freiheit, fühlte Gleichheit und ich fand Brüderlichkeit
Douce France!
Wie ein Film flimmert mein Leben über die Kinoleinwand
Einer von den schönen alten mit Ventura und Montand
Ich seh: Soviel hat der Junge, der da spielt, bei dir gelernt
Hat dich 100 mal verlassen, hat sich nie von dir entfernt
Hat geübt, sein eignes Land mit Liebe besser zu versteh’n
Und Unabdingbares milder und versöhnlicher zu seh’n
Da war nie ein Wort der Feindschaft, nie eine Demütigung
Nur so ein gewisses Lächeln in meiner Erinnerung
Manchmal, wenn ich an mir leide, dann machst du mich wieder heil
Von meiner schweren, dunklen Seele bist du der helle, der federleichte Teil
Douce France!